Die Stadt Wernigerode entscheidet sich für das Klassische Sonnenhauskonzept im Wohnungsbau

Alle Bilder: Polyluchs Kreativagentur Wernigerode

Es macht Hoffnung, wenn Wohnungsbaugesellschaften das Sonnenhaus-Konzept aufgreifen. Die Stadt Wernigerode im Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) zählt nicht gerade zu den einkommensstarken Regionen im Land, aber sie hatte bei ihrem Projekt im „Quartier Pappelweg“ den Mut, für die Zukunft zu bauen.

Bauen für die Zukunft

Innovative Architektur, die der Sonne folgt, ein nachhaltiger Energiemix ohne Öl und Gas und durchmischtes Mehr-Generationen-Wohnen. Den lokal erzeugten Sonnenstrom erhalten die Mieter kostenfrei – ein Konzept, das für finanzielle Sicherheit sorgt. 2022 war der erste Spatenstich und heuer wurde das Gebäude bezugsfertig.

Um die Sonnenenergie bestmöglich zu nutzen, entschieden sich die Planer, das Bestandsgebäude mit einem asymmetrischen Sheddach auszustatten.

Sonne und Holz ersetzen die Kohle

Die GWW (Gebäude und Wohnungsbaugesellchaft Wernigerode mbH) beschreibt in die Ausgangslage so: „Im Quartier Pappelweg in Wernigerode stand jahrzehntelang ein Wohngebäude, ein konventioneller Bau aus den 1940er-/50er-Jahren, betrieben mit Kohleheizung. Nach längerem Leerstand war es nicht mehr haltbar. An diesem Standort wagten die mit unserem ersten Mehrfamilienhaus-Neubau seit 18 Jahren einen mutigen Schritt: Wir verdrängten den alten ,Umweltsünder‘ mit einem futuristisch anmutenden Sonnenhaus, das für uns die Zukunft des Bauens in Wernigerode beschreibt – und darüber hinaus.“

Insgesamt fünf Pufferspeicher zu je 1500 Liter speichern die solare Wärme.

„Form follows function“

Dieser Ausspruch, der schon im 19. Jahrhundert die Chicagoer Schule des Hochhausbaus und später das Bauhaus prägte, diente als architektonischer Leitsatz des Wernigeröder Sonnenhauses.

Wo das Vorgängergebäude ein klassisches Nord-Süd-Satteldach aufwies, optimierte man die Dachform streng Richtung Süd-West, um ein Maximum an Sonneneinstrahlung zu garantieren: Architektur, die der Sonne folgt. Trotz seiner außergewöhnlichen Form fügt sich das Sonnenhaus in seine Umgebung ein, ordnet sich in seiner Zeilenausrichtung und den 40° geneigten Steildächern in die vorhandene städtebauliche Struktur ein.

Das Ergebnis: „Eine Dachform, die sich streng nach der Sonne richtet; ein CO2-neutrales Energiekonzept, dass sich ihre Strahlkraft maximal zu Nutzen macht; lokal erzeugter Strom, der nicht erst eingespeist, sondern den Mietern direkt und ohne Umwege kostenfrei zur Verfügung gestellt wird; sowie gemischte Grundrisse als Modellvorschlag für Mehr-Generationen-Wohnen: Innovationen, die universell übertragbar sind. Wir hoffen und glauben, dass unsere Philosophie im Sektor des kommunalen Wohnungsbaus deutschlandweit Denkprozesse anstoßen kann und sind stolz, dabei eine Vorreiter-Rolle einzunehmen.“

Jede Wohneinheit bekam einen eigenen Wechselrichter. Foto: Polyluchs Kreativagentur Wernigerode

„Zweite Miete“ wird zunehmend entscheidender

Konkret wurde hier das Konzept des Klassischen Sonnenhaus umgesetzt, also auf der Basis von Solarthermie (58 Quadratmeter) in Kombination mit dem nachwachsenden Energieträger Holz. Hinzu kommt eine PV-Anlage für den Haushaltsstrom (63,4 kWp).
Insgesamt kann in den Monaten April bis Oktober allein durch die Sonne eine komplett autarke Gebäudeheizung sichergestellt werden. Im Winter hilft bei Minusgraden eine CO2-neutrale Holzpellet-Heizung. Dreifachverglasung hält die Wärme im Gebäude, fünf isolierte Pufferspeicher im Keller speichern überschüssige Wärme bis zu zwei Wochen.

Mieter bekommen den Solarstrom geschenkt

Die GWW: „Wir sehen eine mögliche Zukunft, in der nicht die Kaltmiete, sondern die Nebenkosten – die ,zweite Miete‘ – ausschlaggebender Faktor für eine Anmietung werden. Hier haben wir mit einem Konzept angesetzt, dass deutschlandweit einmalig ist: Den lokal auf dem Dach erzeugten Solar-Strom schenken wir unseren Mietern – 16 kleine Anlagen mit einer Leistung von je 3 kWp, eine für jede der 15 Wohneinheiten (zwischen 50 und 120 Quadratmeter Wohnfläche) und eine weitere für Allgemeinstrom. Jede Wohnung ist zudem mit einem eigenen Wechselrichter ausgestattet. Wer nun also seine Wäsche wäscht, während draußen die Sonne scheint, tut dies komplett umsonst. Überschüssiger, nicht verbrauchter Strom wird zentral im Keller gebündelt und dem Stromnetz zugeführt.“

 

 

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