Leben im Sonnenhaus (Folge 3):
Mieter und Bauherren unter einem Dach

Ansicht vom Innenhof: die Gesamtausrichtung ist fast exakt nach Süd. Foto: Christine Korte

Christine Korte stand vor der Option ihr Elternhaus in Osnabrück zu sanieren oder durch Neubau zu ersetzen. Sie wollte dabei durchaus an unser Klima und unsere Zukunft denken, hatte aber keine genaueren Vorstellungen, wie das am effizientesten umzusetzen ist.
„Wir sind da ökologisch gar nicht so versiert, aber es war unser Wunsch, etwas nachhaltiges und zukunftsfähiges zu machen“, beschreiben Frau Korte und ihr Ehemann die Ausgangssituation. Die Architektin Anja Machnik in Menslage (Lkr. Osnabrück) und das Prenzlauer Fachbüro Ergosun, beide Mitglied im Sonnenhaus-Institut e.V., wurden Ihre wichtigsten Partner.

Barrierefrei mit Sonnenhaus-Technik und Pauschalmiete

Illustration: Anja Machnik

Ansicht von Nord: Foto Anja Machnik

Am Ende entstand eine barrierefreie Wohnanlage mit Sonnenhaus-Technik und Pauschaler Warmmiete. Eine erfreulich-ambitionierte Ausnahme in Zeiten, zu denen auf einem überhitzten Markt oft genug einfallslose und energetisch wenig zukunftsfähige Immobilien zu Höchstpreisen Mieter oder Käufer finden. Ebenso erfreulich wie bemerkenswert ist die Tatsache, dass es die aufgeschlossene aber technisch keineswegs vorbelastete Bauherrin letztlich durch Auswahl der richtigen Partner an ihr Wunschziel geschafft hat.
Auf die Sonnenhaus-Technik war Christine Korte schon früher einmal aufmerksam geworden, als Architektin Machnik das erste Einfamilien-Sonnenhaus Osnabrücks baute. Die Stadtwerke berichteten in ihrem Kundenmagazin darüber. Korte ist Inhaberin einer Werbeagentur und betreut das Blatt der Stadtwerke. Das vorgestellte Konzept fand sie spontan überzeugend. Daher versuchte es die angehende Bauherrein dann mit dem „Eine-Frau-Büro“ von Anja Machnik, als es später an eine eigene Planung ging.
Herausgekommen ist ein L-förmiger Grundriss, dessen zwei Flügel fast exakt nach Südost bzw. Südwest ausgerichtet sind. In die Dachflächen wurde eine 135-Quadratmeter Solarthermieanlage integriert, ins Zentrum des Gebäudes ein 25 Kubikmeter- Speicher.
Als kompetenten Planungspartner für die Sonnenhaustechnik brachte die Architektin die Prenzlauer Firma Ergosun ins Spiel. Das lohnte sich sehr, denn die vom Generalunternehmer schließlich beauftragte Installationsfirma hatte bis dato noch keine Erfahrungen mit Sonnenhäusern. Die Bauherrin ist voll des Lobs: „Die kümmerten sich wenn notwendig rund um die Uhr.“
Eine Pelletheizung wäre natürlich erste Wahl für den Restwärmebedarf gewesen. Allerdings machte die zentrale Lage an einer Kreuzung mit zwei Bushaltestellen vor dem Haus eine Anlieferung der Pellets zum Problem. Die Zufahrt über die Hofseite ist wiederum für einen Lkw zu eng bemessen. Da ein städtischer Gasanschluss des Grundstücks schon vorhanden war, fiel die Wahl letztlich auf eine Gastherme. Die Wärmeverteilung erfolgt über Fußbodenheizung, die ergänzt wird von Niedertemperatur-Heizkörpern in den Bädern und im Treppenhaus.
Bei der Inbetriebnahme gab es die üblichen Kleinigkeiten abzuarbeiten und darüber hinaus noch zwei Rückschlagventile nachzurüsten aber seither läuft die Anlage stabil und zuverlässig, bestätigt die Bauherrin.

Vollwärmeverbundsystem in Klinkeroptik

Die Fassade kam von Feldhaus-Klinker in Bad Laer Foto: Nicky Seidenglanz

Gestalterisch ist die Anlage durchaus ansprechend. Die Solaranlage wurde harmonisch in die Dachfläche integriert. Dazwischen wiederum ruhige Dachflächenfenster im fast gleichen Format, die das Raster aufnehmen. Neben großzügigen Fensterflächen verleiht ein Vollwärmeverbundsystem in Klinkeroptik der Fassade ein prägnantes Gesicht. Klinkerbauten sind in Osnabrück allgegenwärtig. Das lebhafte grau-beige Farbspiel der Fassade hebt sich jedoch von dem vertrauten backsteinrot deutlich ab. „Bisher hab‘ ich noch Niemanden gehört, dem es nicht gefällt…“ so die Bauherrin.

Pauschalmiete erfordert auch Vertrauen

Was nun die Abrechnung mit den Mietern betrifft, hat sich Familie Korte / Boberg für das Modell ser sogenannten pauschalen Warmmite entschieden. Tatsächlich wird das verbrauchte Gas von der Eigentümerin bezahlt und nicht weiter verrechnet. Also durchaus ein Ansatz, der eine gewisse Portion Mut und Vertrauen verlangt.
Darauf angesprochen meint Christine Korte, dass Sie und ihr Ehemann bei der Auswahl der Mieter besonderes Augenmerk darauf legten, sich für Menschen zu entscheiden, die das Konzept wertschätzen und „mitleben“. Als Vorteil betrachtet sie es auch, dass sie als Vermieter selbst im Haus wohnen. Das verschafft im Zweifelsfall einen relativ verlässlichen Eindruck, wie das Wohnverhalten der Mieter im Alltag ausfällt. Wobei Frau Korte hier bewusst eine gewisse Großzügigkeit praktizieren möchte, denn der Mieter sei ja auch eine Art Kunde und habe als solcher ein angemessenes Entgegenkommen verdient, meint sie.

Trotzdem sollte natürlich gewährleistet sein, dass die Dinge im Zweifelsfall nicht völlig aus dem Ruder laufen. Die Heizungsverteilung wurde deswegen so ausgelegt, dass eine Raumtemperatur von 22 bis 23 Grad grundsätzlich nicht überschritten werden kann. Sollte sich zeigen, dass Mieter simultan noch ständig Fenster offen stehen lassen, könnte man ja frühzeitig gegensteuern. Als Rettungsanker gibt es im Notfall noch die Klausel, dass bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten nachträglich Wärmemengenzähler in der Wohnung verbaut werden.
Bisher jedenfalls wird noch nicht einmal das Kaltwasser weiterverrechnet, weil die Zähler erst vor Kurzem montiert wurden. Das Vertrauen von Christine Korte in ihre Mieter scheint also groß – „Für mich zählt da eher das Bauchgefühl“ – und wird hoffentlich belohnt werden.

Auf einen Blick:
(Quelle: www.anja-machnik.de)

Neubau, Fertigstellung 2019
Massivbauweise in Klinkeroptik
ca. 900 m² Wohnfläche
teilunterkellert
Satteldach mit Dachterrassen
barrierefreie Wohnungen
Stellplatz Stadtteilauto

Haustechnik:
ca. 140 m² Solarkollektorfläche
ca. 25.000 Liter Pufferspeicher
Solarer Deckungsgrad ca. 52 %
Gasheizung als Zusatzheizung
Fußbodenheizung
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Dämmung:
KfW-Effizienzhaus 55 (Gebäudehülle)
gedämmter Mauerwerksbau, Klinkeroptik
Satteldach mit Zwischensparrendämmung
Dämmung der Kellerdecke / Sohlplatte
Fenster mit dreifach-Verglasung

Mehr Informationen und Fotos:
https://www.anja-machnik.de/portfolio/neubau-eines-mehrfamilienhauses-als-solarenergiehaus-in-osnabrueck

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